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„Schwarze Pädagogik“ in Märchen – Bedenken berechtigt?

Sie dachten, die Geschichte von Hänsel und Gretel sei schon bedenklich grausam für die Ohren Ihrer Kinder, deren Phantasie oder guten Schlaf Sie damit eigentlich anzuregen versuchen? Dabei kannten Sie wahrscheinlich noch gar nicht die Geschichte von den Metzger-Söhnen, die den Vater beim Schlachten eines Schweins beobachten und daraufhin die Rollen verteilen, um die Szene im Spiel nachzustellen. Das Brüderchen, das den Metzger spielt, sticht das andere mit dem Messer in den Hals. Als die Mutter dies entdeckt, ersticht sie aus Wut auch den anderen Sohn. Am Ende ist die ganze Familie ausgerottet. Schon als diese Geschichte in der Erstausgabe der Kinder- und Hausmärchen von Grimm erschien, entflammte eine Diskussion um die darin enthaltene Grausamkeit, wie ein Brief von Achim von Arnim an Wilhelm Grimm 1813 zeigt. In den folgenden Auflagen wird es daraufhin nicht mehr übernommen. Ist die in Märchen transportierte „Schwarze Pädagogik“ unseren Kindern zumutbar?

Und die Moral von der Geschicht’?

Märchen seien nicht mehr zeitgemäß aufgrund furchtbarer Rollenklischees und der beabsichtigten Provokation von Angst und Einschüchterung bei Kindern, die sie zum Gehorchen bringen sollen, so kritische Stimmen. Doch gibt es in der Textsorte Märchen wirklich stets eine einfache Moral von der Geschicht’ à là „Gehorche dem Vater, sonst wird es dir schlecht ergehen“?  Erinnern wir uns einmal an das Märchen vom Froschkönig, bevor die schöne Fassung mit dem Kuss verbreitet wurde: Da macht der Vater klar, dass die Prinzessin den Froschkönig freundlich zu behandeln habe, aber bei der erstbesten Gelegenheit wirft diese ihn an die Wand. Klatsch! Aber siehe da – er wird zum Prinzen.

Märchen sind/waren nicht immer Kinderliteratur

Märchen bloß als Erziehungstexte zu sehen und zu beurteilen, wird keinem Literaturwissenschaftler gefallen. Ursprünglich waren Märchen außerdem zu großem Teil Erwachsenenliteratur. Wer die Texte scharf verurteilt, muss dennoch bemerken, dass die Grausamkeiten darin selten besonders ausgeschmückt und realistisch beschrieben werden. Viele bildliche Darstellungen in Fernsehen oder Internet, zu denen Kinder oft freien Zugang haben, sind wahrscheinlich schwieriger zu verdauen als das literarische Bild der bösen Stiefmutter von Schneewittchen, die in glühenden, Eisenpantoffeln „zu Tode tanzt“.

Disney sei Dank!

Dass Geschichten ständig adaptiert werden und manchmal nur noch recht wenig mit dem Original zu tun haben, ist ja nichts Neues. In Disneys „Aschenputtel“ oder „Cinderella“ schneiden sich die Stiefschwestern nicht Zehen bzw. Ferse ab, um sich in den gläsernen Schuh zu zwängen, und wir warten vergebens auf das „Rucke di guh, rucke di guh! Blut ist im Schuh…“ der Tauben, denn ohne diese hätte der Prinz seine Zukünftige gar nicht wiedererkannt. Apropos „Stiefschwestern“ – wussten Sie, dass in der ersten Ausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm die böse Königin in „Schneewittchen“ nicht dessen Stiefmutter, sondern noch die leibliche Mutter war? Genauso in Hänsel und Gretel…

Umdichten erlaubt

Wie nicht zuletzt dieses Beispiel zeigt, wird die Frage, ob Bücher wie Grimms Märchen zu brutal sind für Kinder, nicht erst seit Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten diskutiert. Jacob und Wilhelm Grimm hatten die Geschichten übrigens anfangs auch gar nicht für Kinder gesammelt, doch Georg Andreas Reimer, ihr Verleger, hatte das Wörtchen „Kinder“ aus Verkaufsgründen in den Titel hineinreklamiert. Erachten Sie also die Version der Guten-Nacht-Geschichte wie sie noch im Märchenbuch der eigenen Oma abgedruckt ist für Ihr Kind als zu grausam, dann müssen Sie keine Skrupel haben – genauso wenig wie die Figuren in den Geschichten Skrupel kennen –, lassen Sie Ihre Fantasie spielen und erfinden Sie eine eigene Version.


Foto: Shutterstock/Photo joy

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