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Kinderträume und ihre Bedeutung

Ab welchem Alter träumen Kinder und was haben die Gedankenbilder zu bedeuten? Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Dr. Hans Hopf kennt die Antworten.

Ab wann beginnen Kinder zu träumen?

Niemand kennt die Träume eines anderen Menschen wirklich, sondern jeder von uns lediglich die eigenen aus der Erinnerung. Somit sind wir auf den Spracherwerb eines Kindes angewiesen; wir können allerdings davon ausgehen, dass Kinder auch schon vorher träumen, vielleicht schon im Mutterleib, wenn das Gehirn reif genug für den Vorgang des Träumens ist. Aber wir wissen nicht genau, wie diese Traumbilder aussehen. Träume von Kindern in der Traumliteratur stammen aus dem ersten Lebensjahr, wenn Kinder bereits ein wenig sprechen können.

Berühmt ist der Traum von Sigmund Freuds kleiner Tochter Anna im Alter von 19 Monaten. Von ihm stammt ja bekanntlich das grundlegende Buch „Die Traumdeutung“. Nach einer Diät wegen Erbrechens hörte man das kleine Mädchen erregt im Schlaf von begehrenswerten Mahlzeiten sprechen. Für Freud war das ein Hinweis darauf, dass sich sein Töchterlein während des Träumens einen Essenswunsch – gegen die gestrengen Maßnahmen der Kinderfrau - erfüllt hatte, in Form einer „Demonstration gegen die häusliche Sanitätspolizei“.

Was träumen Kinder ab 3?

In der Tat sind das bei den kleineren Kindern oft einfache Wunscherfüllungen. Ein dreieinhalbjähriger Junge träumte nach einem Spaziergang, dass ihn ein Schaf besucht hätte, das er streichelte und fütterte. Dies hatte am Tag zuvor stattgefunden, und der Kleine konnte nur gegen seinen Willen davon weggelockt werden, weil die Eltern nach Hause wollten. Im Traum hat er sich, wie Freuds Tochter Anna, gegen den Willen seiner Eltern, den Wunsch erfüllt, das Schaf weiterzustreicheln. Bei näherem Hinsehen könnten wir viele weitere Aspekte und aktuelle Konflikte erkennen, denn Träume sind immer Mitteilungen eines Kindes an seine Eltern. Auch kleinere Kinder träumen schon von innerseelischen Konflikten und solchen, welche sie mit ihrem Umfeld haben, und die bewältigt werden müssen.

Eine Besonderheit der Träume von kleinen Kindern ist, dass sich in ihnen Tiere aller Arten tummeln, bis zu zehnmal häufiger als bei Erwachsenen. Es sind nicht selten solche, welche Angst einflößen, wie im Kasperltheater das Krokodil, die Schlange, es sind aber auch Haustiere aus der direkten Umgebung. Kinder sind wahrscheinlich nur bedingt fähig, sich selbst darzustellen, sie beschreiben darum ihre Vorstellungen von sich gerne über Tiere. Dabei gibt es bereits Geschlechtsunterschiede. Mädchen bevorzugen in ihren Träumen eher Säugetiere, Buben eher Reptilien. Vielleicht bedeutet das, dass Buben ihre Gefühlsseite eher fremd erleben und weniger akzeptieren können als Mädchen. Aber das wäre ein Thema für sich!

Was ist die Bedeutung der Träume?

Darüber wurden viele gescheite Bücher und Aufsätze geschrieben. Träumen ist ein Denken unter anderen Voraussetzungen. Es können fast keine Reize von außen kommen und somit formen ausschließlich innere Prozesse die Traumphantasien und -bilder. Das Träumen und das Erzählen von Träumen, das ist ja – wie wir bereits erfahren haben – zweierlei, besitzt vielerlei Funktionen, von der bereits genannten Wunscherfüllung, über physiologische Prozesse, bis zur Beziehungsaufnahme und zur Konfliktbewältigung. Die Traumforscherin Rosalind Cartwright hat einmal geschrieben, dass Träumen eine Art Reparaturwerkstätte zur Herstellung unseres Selbstwertgefühls und des Bezugs zur Wirklichkeit sei. Ich finde, das ist eine sehr zutreffende Definition.

Welche Bedeutung haben Träume für Kinder?

So gut die gleiche wie bei den Erwachsenen. In der Psychoanalyse wurde das Träumen als Königsweg zum Unbewussten erkannt und beschrieben. Kinder träumen von Konflikten, die sie im Augenblick zu bewältigen haben und Träumen hilft dabei, diese zu lösen. Als wichtigste Funktion des Kindertraumes sehe ich, dass Kinder auf diese Weise eine ganz spezielle Beziehung zu ihren Eltern aufnehmen können und ihnen Sorgen und Ängste in ganz anderer Form mitteilen können. So können sich Kinder von bedrückenden Gefühlen und manchen Sorgen befreien.

Wie wichtig ist es, dass Eltern mit ihren Kindern über deren Träume sprechen?

Immer dann, wenn Kinder ihnen einen Traum erzählen, ist das wichtig. Die meisten Eltern werden mit den Träumen ihrer Kinder konfrontiert, wenn diese aus dem Schlaf aufwachen und schreien, weil sie einen Angsttraum hatte: Kinder haben vielerlei Entwicklungsprobleme zu bewältigen, ehe sie seelisch unabhängig sind. Zu den jeweiligen Entwicklungsprozessen gehören auch typische Ängste, welche sich wiederum in typischen Traumbildern niederschlagen können. Dabei genügt es meist, sich den Traum anzuhören und dem Kind zu versichern, dass ihm nichts geschehen wird. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass Kinder bis zum siebten Lebensjahr Schwierigkeiten haben, Traum- und Wachleben zu unterscheiden. Erst ab dem siebten Lebensjahr wird der Traum als ausschließlich innerseelisches Geschehen verstanden. 

Wie können Eltern die Bedeutung der Kinderträume entschlüsseln?

Wenn Kinder von Träumen erzählen, erweisen sie ihren Eltern großes Vertrauen. Eltern sollen Träume nicht entschlüsseln oder gar zu deuten versuchen. Sie sollen sich die Traumerzählung ihres Kindes anhören, das tut den Kindern gut, und sie sollen - für sich - mit den Inhalten „spielen“. Am besten ist es, das Traumgeschehen einfach auf sich wirken zu lassen, es wird ganz sicher das Verhalten der Eltern beeinflussen. Oft reagieren Eltern ganz spontan auf ängstigende Träume. Einmal träumte ein Vierjähriger von einem gefährlichen Vogel.

Die Mutter machte, nachdem er schreiend aufgewacht war, wortlos erst das Fenster auf, ließ den Vogel „hinausfliegen“ und setzte sich dann an das Bett ihres Kindes. Eine andere Mutter ließ ein ängstigendes Tier aufzeichnen und zerriss das Bild mit ihrem Kind. Bei Vorschulkindern herrscht noch magisches Denken vor, solch konkreter Umgang mit Traumbildern ist dann manchmal hilfreich.  

Foto: Shutterstock/
Yuganov Konstantin