Früh übt sich jedes (Wunder-)Kind
Die Stirn skeptisch in Falten zu legen, wenn Ihre fünfjährige Tochter eines Tages lauthals ausruft „Ich möchte Kontrabass spielen!“, ist eine verständliche, aber auch vorschnelle Reaktion. In einem Elternhaus, das erfüllt ist von Musik, in dem Kinder Lieder singen und Musik hören, ist es nur wahrscheinlich, dass der Nachwuchs früher oder später auf den Gedanken kommt, wie schön es nicht wäre, selbst ein Instrument spielen zu können. Und eine solche intensive Beschäftigung mit Musik birgt enormes Potenzial für die Persönlichkeitsentwicklung. Konzentrationsfähigkeit, Stressresistenz und gegenseitige Rücksichtnahme sind nur einige Schlagworte.
Mit vier ans Klavier
Dass dieser frühe Wunsch nach dem Musizieren nicht nur einer augenblicklichen Laune entstammt, kann zum Beispiel bei „Tagen der offenen Türe“ in Musikschulen oder im Rahmen von Schnupperstunden sichergestellt werden. Hier werden verschiedene Instrumente nicht nur gezeigt und erläutert, sondern die Kinder können sich meist sofort eigenhändig daran probieren. Jedes Kind sollte im besten Fall selbst entscheiden, welches Musikinstrument für es das richtige ist. Inzwischen gibt es viele Instrumente in kleinen Größen, die für junge Einsteiger geeignet sind. Ohne sich gleich Wolfang Amadeus Mozart zum Vorbild nehmen zu müssen, kann festgehalten werden: Klavier, Violine oder Cello können schon im Alter von drei oder vier Jahren gelernt werden.
Die Kraft der Motivation
Wenn Sie selbst zu denjenigen gehören, die im Kleinkindalter mit Blockflötenunterricht gequält wurden und heute nicht einmal mehr eine C-Dur-Tonleiter blasen könnten, dann ist die Frage eine Überlegung wert, warum Sie keine Freude oder Ehrgeiz beim Musizieren entwickelt haben. Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern gegenüber Interesse und Wertschätzung zeigen und gleichzeitig auch darauf bestehen, dass sinnvoll zuhause geübt wird. Fleiß kann trainiert werden.
Man darf nicht sofort aufgeben
Geduld und Frustrationstoleranz sind vielleicht die wesentlichsten Kompetenzen abseits der rein musikalischen Aspekte, die im Zuge des Instrumentalunterrichts erworben werden. Die eigenständige Gestaltung von Musik erfordert nämlich komplexe motorische und mentale Prozesse. Das Klavierstück „Für Elise“ von Beethoven kann man als Anfänger nicht einfach vom Blatt spielen. Zumindest nicht so, dass etwaige Zuhörer nicht fluchtartig aus dem Raum stürzen. Instrumentalunterricht erfordert Geduld, denn man hat nie ausgelernt.
Zwang versus Spaßgesellschaft
Natürlich sollte ein Kind nicht gegen seinen Willen dazu gezwungen werden, Klarinette zu erlernen, nur weil dies der Wunsch des Vaters ist, der im Blasorchester Tuba spielt. Andererseits ist es ein Fehlschluss, jeder Laune des Nachwuchses sofort nachzugeben mit dem Argument, das Kind müsse Spaß haben bei allem, was es tut. Der Spaß ist es nicht, „Für Elise“ in Takten zerteilt zigmal in halber Geschwindigkeit zu üben – das freut wohl gemerkt auch die Nachbarn nicht. Aber es ist der steinige Weg zur wahren Freude, die später kommt, wenn man nämlich soweit ist, Musik selbst gestalten und Gefühle in ihr ausdrücken zu können. Man sollte dem Kind zumindest die Chance geben, diese Erfahrung zu machen.
Einander Gehör schenken
Konzentrationsvermögen, ein gutes Gedächtnis, Feinmotorik und Leistungsvermögen unter Stress sind Kompetenzen, die neben den rein musikalischen Aspekten beim Erlernen eines Instruments gefördert werden. Aber auch soziale Fähigkeiten wie Zuhören und gegenseitige Rücksichtnahme können durch gemeinsames Musizieren entwickelt werden und sind ebenso in anderen Lebensbereichen von Bedeutsamkeit, wie im Sport, der Schule und im späteren Berufsleben. In diesem Sinne sollten Eltern Ihrem Kind mit einem offenen Ohr begegnen, wenn es sich zum Saxophon hingezogen fühlt, seinen Wunsch hinterfragen und ihm vielleicht einmal die Möglichkeit geben, das Instrument selbst in die Hand zu nehmen und die allerersten Töne zu erzeugen.
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