Geschwisterliebe – oder doch nicht?
Viele Kinder wünschen sich ein jüngeres Geschwisterchen. Doch wenn der Nachwuchs auf der Welt ist, reagieren sie häufig mit Wutanfällen und Streitereien. Den Eltern fehlt oft das Verständnis für dieses Verhalten: Aus ihrer Sicht ist das Familienglück erst mit dem zweiten Kind perfekt. Doch ihr Erstgeborenes muss ihre Aufmerksamkeit nun zum ersten Mal mit jemandem teilen – und das fällt oft nicht leicht.
Experten empfehlen, dem Älteren nun besondere Beachtung zu schenken. Gerade in der ersten Phase mit dem Nachkömmling sind speziell die Väter gefordert.
Abenteuer dicker Bauch
Vor allem Kinder ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr begegnen dem neuen Familienmitglied zunächst mit Skepsis. Das ist ganz normal, denn in diesem Alter entwickelt sich das Gefühl der Eifersucht. Um dem vorzubeugen, ist es sinnvoll, die Erstgeborenen frühzeitig auf die neue Situation vorzubereiten. Dabei gilt: Je jünger das Kind, desto länger kann man damit warten. Denn bis zu einem Alter von vier Jahren können Kinder einen Zeitraum von neun Monaten noch gar nicht überblicken. Sie nehmen hauptsächlich „greifbare“ Tatsachen wahr: Wenn Mamas Bauch immer runder wird und das strampelnde Baby deutlich darin zu spüren ist, erlebt das Kind das Heranwachsen des Geschwisterchens hautnah mit.
Neue Papis braucht das Land
In den ersten Wochen nach der Geburt ist die Mutter ganz mit der Versorgung des Babys beschäftigt. Damit das ältere Geschwisterkind sich nun nicht überzählig oder gar ungeliebt fühlt, ist vor allem der Vater gefragt. Er sollte jetzt besonders viel Zeit mit dem Großen verbringen und gemeinsame Rituale pflegen. Bei der allabendlichen Gute-Nacht-Geschichte oder dem Fußballspiel am Sonntagnachmittag lassen sich die Bande zwischen Vater und Kind stärken. Auch körperliche Nähe spielt eine große Rolle. Nehmen Sie Ihr Kind deshalb oft in den Arm oder auf den Schoß. So hat es das schöne Gefühl, im Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit zu stehen.
Kleine Helfer am Wickeltisch
Sobald sich die Eltern an die neue Familiensituation gewöhnt haben, kehrt allmählich wieder der Alltag ein. Neu ist jedoch, dass hierzu von nun an das Baby zählt, das gewickelt und versorgt werden will. Größere Geschwister können oft nicht verstehen, warum der Säugling so viel weint und nicht sofort Bauklötze mit ihnen stapeln kann. Die Großen sind häufig enttäuscht oder unsicher. Da hilft es, wenn Eltern sie in den Babyalltag einbeziehen.
Beim Wickeln darf der große Bruder die Creme bereithalten; beim Stillen kann die Schwester sich an die Mama kuscheln und mit einer Puppe schon einmal üben. Das stärkt die Bindung zum Neugeborenen und vermittelt den Großen das Gefühl ernst genommen zu werden.
Kindgerechte Hilfestellung von Experten
Um junge Familien in dieser Lebensphase zu unterstützen, bieten Hebammen, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen sogenannte Geschwisterkurse an. Hier erhalten Kinder altersgerechte Einblicke in die Themen Schwangerschaft, Geburt oder Babypflege und lernen den richtigen Umgang mit dem Neugeborenen.
Beim Wickeln, Streicheln und Fläschchen geben erleben sie, welche Bedürfnisse die Kleinen haben und wie sie diese mitteilen. So lernen die großen Geschwister ihre neue Rolle kennen und spüren, dass sie stolz darauf sein können. Um sie in diesem Gefühl zu bestärken, erhalten sie am Ende des Kurses häufig ein „Geschwisterdiplom“.
Streit muss nicht sein: Tipps bei Konflikten
- Streitigkeiten sind für die soziale Entwicklung des Kindes notwendig.
- Kinder einigen sich meistens selbst.
- Lassen Sie sich nicht in die Rolle des Schiedsrichters drängen.
- Raushalten ist schwer – aber trotzdem wirkungsvoll.
- Ergreifen Sie nicht Partei für den scheinbar Schwächeren.
- Argumente und Appelle an die Vernunft sind in Kleinkriegen meistens sinnlos. Garstigkeiten in den Zankereien sind oft nur ein Mantel für andere Probleme.
- Was auch der Anlass für Geschwisterstreitigkeiten sein mag, Eltern machen die Dinge nur noch schlimmer, wenn sie sich einmischen. Sie berauben die Kinder dadurch der Möglichkeit, Ihre Konflikte von selbst zu lösen.
- Kinder, die gelernt haben, sich und ihre Probleme mitzuteilen, die sich verstanden und gehört fühlen und in gemeinsam Gesprächen Problemlösungswege entdeckt haben, lassen das auch ihre Geschwister spüren. Gehässige Streitereien werden immer seltener.
- Ein Kind, dessen Streitigkeiten permanent von den Eltern in Ordnung gebracht werden, kann nie lernen, schwierige Situationen selbst zu meistern. Wenn Eltern Partei ergreifen, wird ein Kind der Sieger, das andere erleidet eine Niederlage.
- Kinder brauchen die Festigkeit, um ihre Grenzen erkennen zu können. Wer ein bestimmtes Verhalten einmal durchgehen lässt und beim zweiten Mal geradezu explodiert, schafft Verunsicherung, die Kinder dazu führt, dieses Verhalten möglichst oft einzusetzen, um herauszufinden, welches der gezeigten Gefühle echt ist.
- Das Kind, das die Liebe und Zuwendung am meisten sucht, benimmt sich so aufdringlich und streitsüchtig, dass es am wenigsten bekommt.
- Vergleiche ein Kind nie mit einem anderen, sondern immer nur mit sich selbst.
- Zuhören heißt intensive Anteilnahme, Zeit haben und das Zurückhalten eigener Äußerungen.
- Zu Kindern reden bedeutet, die Elterninteressen in den Vordergrund zu rücken. Mit Kindern spechen heißt, sie ernst zu nehmen.
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