Die geheimnisvolle Kraft ungeborener Kinder
Wie ungeborene Kinder das Familiensystem ins Wanken bringen. Familientherapeutin Sereina Heim – sie bezeichnet sich selbst als Hebamme der Seele – beantwortet fünf Fragen und gibt neue Erklärungen für auffällige Verhaltensweisen von Babys und Kindern.
Fast 50 Prozent aller Schwangerschaften überdauern nur ein paar Wochen und werden häufig gar nicht bemerkt (Quelle Universitätsklinikum Bonn). Deswegen gibt es in viele Familie ungeborene Geschwister, die bei einer Fehlgeburt oder Abtreibung gestorben sind. Die ungeborenen Kinder, Seelenkinder genannt, wünschen sich in ihrer Familie einen Platz zu bekommen. Geschieht dies nicht führt das zu inner-familiäre Spannungen. Die lebenden Kinder machen stellvertretend auf die Seelenkinder aufmerksam. Zum Beispiel indem sie unbewusst versuchen den leeren Platz im Familiensystem mit Leben zu füllen und deswegen hyperaktiv wirken oder indem sie für zwei essen und übergewichtig werden.
Was sind Seelenkinder?
Bis heute fehlt ein positiver Begriff für die ganz früh während der Schwangerschaft verstorbenen Kinder. Man spricht von einer Fehlgeburt oder einem Abgang bzw. einer Abtreibung. Damit wird aber der Aspekt des Verlusts mehr betont als die Zeugung des Kindes. Weil die Kinder während des ersten Schwangerschaftsdrittels sterben, können wir ihre Körperlichkeit nicht richtig fassen. In unserer Vorstellung bleiben sie rein seelische Wesen. Seelenkinder aber auch deswegen, weil sie auf seelischer Ebene für immer unsere Kinder bleiben, auch wenn wir sie nicht durchs Leben begleiten können.
Warum sind Seelenkinder für ihre Geschwister so wichtig?
Dank meiner medialen Wahrnehmung kann ich Seelenkinder nach einer Fehlgeburt oder Abtreibung sehen und spüren. Irgendwann habe ich bei der Beratung von Familien gemerkt, dass viele Kinderkrisen auf die gleiche Ursache zurückzuführen sind. Gibt es in der Familie mindestens ein Seelenkind, ergeben sich daraus bestimmte Probleme für die Geschwister. Zudem können Erwachsene unter dem Verlust eines ungeborenen Geschwisterkindes leiden. Es ist daher naheliegend, dass Kinder ebenfalls Auswirkungen des Verlusts spüren.
Haben alle Kinder mit Problemen ein Seelengeschwisterchen?
Nein. Es gibt verschiedene Gründe, weswegen Kinder ein Problem entwickeln und es steckt nicht immer ein Seelenkind dahinter. Selbst wenn es ein Seelenkind in der Familie gibt, kann es sein, dass ein Kind vorübergehend aus einem ganz anderen Grund ein schwieriges Verhalten zeigt. Aber, wenn bekannte pädagogische Erklärungsansätze nicht greifen, sollte man bedenken, dass möglicherweise das Vergessen eines Seelenkindes für die Probleme verantwortlich ist.
Was sollen Eltern tun, wenn sie nicht sicher sind, ob sie ein Seelenkind haben?
Zuerst einmal die medizinische Seite bedenken: Gab es einmal eine verspätet einsetzende oder auffallend starke Regelblutung? Kam es in den ersten Schwangerschaftswochen zu leichten Blutungen? Gab es in der Plazenta Hinweise auf eine weitere Frucht? Wenn sie diese Fragen mit Ja beantworten können, ist die Wahrscheinlichkeit dass sie ein Seelenkind haben schon ziemlich hoch.
Falls nicht, können sie eine mentale Übung machen: Man stellt sich die eigene Familie – Vater, Mutter, Kinder – vor und ergänzt dieses Bild innerlich um ein weiteres Kind. Stellt sich ein Glücksgefühl, ein inneres Ja oder ein Gefühl der Herzöffnung ein, kann es sein, dass noch ein Kind in die Familie gehört. Um definitive Klarheit zu erlangen lohnt es sich eine Familienaufstellung zu machen. Und man sollte auf die Kinder hören! Wenn sie sich sehnlichst noch ein Geschwisterchen wünschen, dann spüren sie meistens, dass in Wirklichkeit noch jemand zur Familie gehört.
Wie heißen Familien ihr Seelenkind willkommen?
Dies kann in mehreren Schritten erfolgen. Erstens: Erlauben Sie sich und Ihren Kindern um das verlorene Kind zu trauern. Zweitens: Nehmen Sie innerlich mit Ihrem Seelenkind Kontakt auf. Sie können ihm einen Brief schreiben oder innerlich Zwiesprache halten. Drittens: Heißen Sie das Seelenkind liebevoll mit einem kleinen Ritual mit Kerzen, Musik oder Gebeten willkommen. Viertens: Machen Sie das Seelenkind in Ihrem Zuhause sichtbar durch eine Figur oder einen Gegenstand, der an das Seelenkind erinnert. Und fünftens: Sprechen Sie mit Ihrer Familien und Ihren Freunden über Ihre Gefühle. Über etwas zu reden, macht es real. Gleichzeitig helfen Gespräche bei der Verarbeitung des Verlusts.
Buch-Tipp:Seelenkinder und wie sie in ihrer Familie wirken,
Einfache Hilfe für Babys & Kinder bei: Einschlafproblemen, übermäßigem Schreien, ADHS, Geschwisterstreit u.v.m, Kösel Verlag, 20,60 Euro
Foto: Shutterstock/Darina Minaeva