Schwangerschaft & Geburt: Kontinenz erhalten
Beckenboden-Erkrankungen mit ihren Folgen für die Kontinenzfunktion zählen – vor allem bei Frauen – zu den häufigsten chronischen Gesundheitsproblemen überhaupt. „Etwa 15 Prozent aller Frauen sind von Harninkontinenz betroffen, neun Prozent leiden an Stuhlinkontinenz und rund drei Prozent an einer Gebärmutter- und Scheidensenkung“, informiert der Gynäkologe Univ.-Prof. Dr. Engelbert Hanzal, Koordinator des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums am AKH Wien und Vorstandsmitglied der Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) im Rahmen seines Online-Vortrages.
„Diese Krankheitsbilder wirken sich massiv auf die Lebensqualität aus.“ Während einer Schwangerschaft leiden sogar bis zu zwei Drittel der Frauen an unfreiwilligem Harnabgang – verursacht durch den Druck, der in dieser Zeit permanent auf die Beckenbodenmuskulatur und den Blasenschließmuskel lastet. Schwangerschaft ist somit neben Übergewicht und Alter ein Hauptrisikofaktor für eine Harninkontinenz.
Auch während der Geburt leidet der Beckenboden, denn er muss sich maximal dehnen. Oft reicht die Elastizität des Beckenbodens nicht aus und ein Dammriss ist die Folge. Nur etwa 1 von 10 Frauen übersteht ihre erste Geburt ohne Dammriss. Hanzal: „Mit einer Dammverletzung hat man ein erhöhtes Risiko für eine spätere Inkontinenz, einer Senkung von Gebärmutter und Scheide, manchmal auch für chronische Beckenschmerzen.“
Vorbeugend kann der Damm gedehnt oder auch durch Beckenbodentraining auf die Geburt vorbereitet werden. „Unser Körper verändert sich in einer Schwangerschaft. Durch diese großen Veränderungen und eben auch, wenn bei der Geburt Verletzungen wie ein Dammriss passieren, können Beschwerden wie eine Inkontinenz zurückbleiben. Physiotherapeuten können die Frauen begleiten und ihnen helfen, den Körper wieder zu regenerieren,“ beschreibt die Physiotherapeutin Barbara Gödl-Purrer, MSc, CIFK.
Beckenbodentraining beugt vor...
Mit gezieltem Beckenbodentraining kann eine Geburt optimal vorbereitet werden. „Es ist wichtig und sinnvoll, den Beckenboden bereits während der Schwangerschaft zu trainieren. Dabei wird die Wahrnehmung für diese Muskulatur geschult sowie die Durchblutung gefördert, wodurch das Gewebe weicher und beweglicher wird. Das kann die Geburt erleichtern“, so die Kärntner Physiotherapeutin Michaela Zechner, BSc und sie appelliert: „Wichtig ist, nicht allein die Anspannung zu trainieren, sondern auch auf die Entspannung zu achten.“ Auch einem unkontrollierten Harn- oder Stuhlverlust kann durch Beckenbodentraining vorgebeugt werden.
.... und hilft bei Problemen nach der Schwangerschaft
Die Blase ist ein Muskel und auch die Harnröhre ist von innenliegender Muskulatur umgeben. Diese Muskeln sind aufeinander abgestimmt: Gödl-Purrer erklärt: „Dehnt und entspannt sich der Blasenmuskel bei Füllung, macht die Harnröhre gut zu. Diese Abstimmung ist unwillkürlich gesteuert, wie zum Beispiel auch unsere Atmung oder der Herzschlag.
Der Beckenboden hilft hier auf zwei Arten mit. Zum einen liegt er zum Teil um die Harnröhre herum, wodurch er die Blase von unten abstützt und helfen kann, die Harnröhre zu verschließen. Auch der After wird dabei unterstützt, dass weder Stuhl noch Winde verloren werden.“ Das Beckenbodentraining kann helfen, diese Muskulatur wieder zu kräftigen.
Neben der Physiotherapie kommen medikamentöse Strategien zum Einsatz. Wenn weder Beckenbodentraining noch Medikamente erfolgreich sind, gibt es noch die Möglichkeit einer Operation. Unterstützend oder wenn es nicht möglich ist, die Kontinenz wieder vollständig herzustellen, stehen Hilfsmittel, wie zum Beispiel aufsaugende Einlagen und Katheter für das Management zur Verfügung, die Betroffenen dabei helfen, trotz ihrer Blasenschwäche wieder ein weitgehend normales Leben führen zu können.
Fazit: Kontinenz- und Beckenbodenprobleme sind sehr häufig. Es besteht ein klarer Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. Man kann jedoch viel tun, um einer Inkontinenz vorzubeugen und sie zu behandeln.
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