So funktioniert Lernen bei Babys
Für Kinder ist es essentiell zu lernen, wie in ihrer Kultur Handlungen ausgeführt und verschiedene Gegenstände üblicherweise benutzt werden.
Ein Team um Stefanie Höhl von der Universität Wien hat die Vermutung, dass Babys beim Beobachten neuer Handlungen ihr eigenes motorisches System im Gehirn aktivieren, in einer aktuellen Studie bestätigt. Außerdem zeigte sich, dass Babys sich auch dann neues Verhalten aneignen, wenn Erwachsene ihnen die Handlungen gar nicht absichtlich beibringen. Die Studie erscheint aktuell im Fachjournal "NeuroImage".
Soziales Lernen spielt bei der Weitergabe von kulturellem Wissen bei Menschen eine besonders wichtige Rolle. Kinder orientieren sich ständig am Verhalten anderer. Bisher war unklar, ob sie bei der Beobachtung neuer Handlungen ihr eigenes motorisches System aktivieren, sprich ob sie die Handlungen "spiegeln". In einem aktuellen Projekt am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien und am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften hat sich Stefanie Höhl gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Freien Universität Berlin mit der Frage befasst, ob das sogenannte Spiegelneuronensystem am Lernen neuer Handlungen bei Babys beteiligt ist. "Wir haben herausgefunden, dass Babys, die neue Handlungen beobachten, sie schon im eigenen motorischen System verarbeiten, bevor sie diese überhaupt selbst ausführen können", so Höhl.
Gehirnaktivität verrät, wie Babys lernen
Für die Untersuchung hat das Team 10 und 20 Monate alten Babys verschiedene Handlungen mit Gegenständen gezeigt, z.B. wie eine Massagerolle über die Hand gerollt wird. Die Person sprach dabei das Kind entweder direkt an und nahm Blickkontakt auf oder sie schaute am Kind vorbei ohne direkte Kommunikation. Während die Kinder beobachteten, was die Person mit den Gegenständen tat, wurden mittels Elektroenzephalogramm (EEG) elektrische Signale der Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen untersucht. Nachdem einige Handlungen gezeigt worden waren, durften die älteren Kinder selbst mit den Gegenständen hantieren und es wurde notiert, welche der Handlungen sie nachahmten.
"Unsere Beobachtungen zeigten, dass Kinder Handlungen umso mehr nachahmten, je stärker zuvor bei der Beobachtung ihr motorischer Kortex aktiviert war, der auch für die Handlungsausführung zuständig ist", so Höhl. Dabei spielte überraschenderweise die Kommunikation beim Vormachen der Handlung keine Rolle. Dies spricht dafür, dass Babys auch dann gespannt verfolgen und sich aneignen, was andere Menschen tun, wenn Erwachsene ihnen die Handlungen gar nicht absichtlich beibringen oder direkt mit ihnen kommunizieren. Spannend war auch: Bei den jüngeren Kindern konnte die spätere Nachahmung zwar nicht untersucht werden, da sie noch nicht in der Lage waren, die Handlungen selbst auszuführen.
Jedoch zeigten auch die jungen Babys eine ganz ähnliche Aktivität im motorischen Kortex wie die älteren. Schon bevor Babys bestimmte Handlungen selbst ausführen können, scheinen sie die bei anderen beobachteten Handlungen bereits in ihrem eigenen motorischen System zu verarbeiten. Die Studie zeigt, dass motorisches "Spiegeln" bei Babys eine zentrale Rolle beim Erlernen neuer Handlungen spielt.
Bild: Shutterstock/Ramona Heim